Von Einwegpipetten bis hin zu komplizierten Versuchsaufbauten – wie Forschung nachhaltiger werden kann, damit befasst sich die Nachhaltigkeitskommission der DFG. Auch die Wissenschaft soll zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Was Selbstreflexion und Dienstreisen damit zu tun haben, wird in einem Interview mit Prof. Dr. Andreas Weber, Mitglied der DFG-Nachhaltigkeitskommission, erläutert. Das Interview wurde ursprünglich im HHU-Magazin 2024 01 veröffentlicht.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat in den vergangenen Jahren eine Nachhaltigkeitskommission einberufen, die sich damit befasste, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte in der Forschungsförderung widerspiegeln können. Im Sommer 2023 legte die Kommission ihre Empfehlungen vor. Prof. Dr. Andreas Weber, Leiter des Instituts für Biochemie der Pflanzen der Heinrich-Heine-Universität, war Mitglied der Kommission. Dr. Arne Claussen befragte ihn zu den Ergebnissen und wie sich diese in der Förderpraxis niederschlagen.
MAGAZIN: Was war die Idee der DFG hinter der Einberufung der Kommission, die zwischen 2021 und 2023 arbeitete?
Prof. Weber: Auch die Wissenschaft muss einen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele leisten. Und zwar auf Ebene jedes einzelnen Projekts: Wie kann Nachhaltigkeit – im ökologischen Sinn – im Prozess der Forschung berücksichtigt werden?
MAGAZIN: Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Prof. Weber: In der Biologie arbeiten wir mit Unmengen Einweg-Pipettenspitzen, um Flüssigkeiten präzise zu dosieren. Wir können uns die Frage stellen: Ist es nachhaltiger, diese Spitzen zu reinigen und wiederzuverwenden? Oder kostet das mehr Energie?
MAGAZIN: Ist Nachhaltigkeit in der Forschungsförderung eine neue Frage, oder folgt die DFG einer Entwicklung?
Prof. Weber: Ich habe den Eindruck, dass die DFG Vorreiter ist und Einfluss auf andere Förderer hat. Ich merke dies daran, dass ich im Anschluss von verschiedenen Förderinstitutionen auf unsere Arbeit angesprochen wurde. Natürlich reagiert die DFG aber schon auf eine Bewegung innerhalb der Community: Viele Forscher*innen wollen den CO2-Abdruck ihrer Arbeit reduzieren. Und: Die DFG wollte das Thema proaktiv angehen, selbst gestalten und mit gutem Beispiel vorangehen. Sie wollte nicht in die Situation geraten, dass politische Gremien Nachhaltigkeitsvorschriften machen – solche Vorschriften wären vermutlich nicht forschungsnah und widersprächen der Selbstverwaltung der Wissenschaft.
MAGAZIN: Apropos forschungsnah: Je strikter die Nachhaltigkeitsforderung gefasst wird, desto mehr Einfluss hat dies möglicherweise auch auf die Inhalte der Forschung. Nimmt die Kommission eine solche Einschränkung in Kauf?
Prof. Weber: Nein, es bestand immer Konsens, dass der Erkenntnisgewinn nicht durch Nachhaltigkeitsüberlegungen beeinträchtigt werden darf. Eine Abwägung im Sinne, wie viel Erkenntnisgewinn ist für welchen CO2-Ausstoß akzeptabel, soll auf keinen Fall stattfinden.
MAGAZIN: Worin sollte die Arbeit der Kommission münden?
Prof. Weber: Wir sollten Empfehlungen erarbeiten, wie ökologisches Handeln in jeden Antrag eingehen kann und dann auch in die Förderentscheidung einfließt. Dabei ging es um die Dinge, die die Forscher*innen beeinflussen können – also etwa nicht die Infrastruktur oder den Energieverbrauch ihres Instituts. Einfluss haben die Wissenschaftler*innen aber darauf, wie Verbrauchsmaterialien, Dienstreisen oder unnötige Messungen vermieden werden. Heraus gekommen sind eine Stellungnahme und ein Leitfragenkatalog.
MAGAZIN: Und wie sieht demnächst ein Forschungsantrag aus? Wie helfen die Leitfragen den Antragssteller*innen?
Prof. Weber: Sie dienen der Selbstreflektion: Was konkret kann ich machen, um mein neues Forschungsprojekt nachhaltiger, klimaneutraler zu machen als frühere Projekte? Diese Selbstreflektion geht dann in den Anhang des Förderantrags ein, nicht in den Kernantrag, in dem das Projekt selbst beschrieben und die Budgetplanung vorgestellt werden. Die Gutachter*innen prüfen dies auf Stichhaltigkeit und Qualität – es soll nachvollziehbar sein, dass sich die Forscher*innen ernsthafte Gedanken gemacht haben und keine Standardantworten geben.
MAGAZIN: Je nach Ansatz kann sich ein Projekt so aber auch verteuern…
Prof. Weber: Genau. Letztendlich heißt das, dass weniger Forschungsprojekte gefördert werden können, denn das Gesamtförderbudget wächst ja nicht. Möglicherweise teurere Mehrwegprodukte kosten mehr, aber auch Dienstreisen: Ein Bahnticket ist in aller Regel teurer als ein Billigflug. Solche Mehrkosten sind begründbar und werden wahrscheinlich auch bewilligt.
MAGAZIN: Wann gehen die Empfehlungen in die Förderpraxis ein?
Prof. Weber: Ab 2024 werden die Kriterien nach und nach in den Antragsprozess eingefügt und werden verpflichtend. Der Prozess ist aber nicht abgeschlossen, Erfahrungen werden in einen „Living Document“ gesammelt. Und nach einigen Jahren wird er evaluiert. Auf jeden Fall ist es aber jetzt schon für Forscher*innen wichtig, sich mit dem Thema zu befassen.